Wenn der Magen knurrt

Jan krächzte: "Habe mich an den seidenen Faden geklammert. Musste einfach was tun, konnte nicht weiter nur dasitzen. Das ist so, so, so..."
Ben legte ihm die Hand auf den Arm, meinte beruhigend: "Jan es wird alles gut. Dein Junge wird bestimmt wieder gesund"
Jan nickte nur
Scherzhaft meinte Ben jetzt: "Sieh aber bloß zu, dass du jetzt vom Acker kommst Jan. Lege dich noch ein paar Stunden aufs Ohr. Aber vielen Dank, dass du für uns so gut ermittelt hast. Du hast uns sehr geholfen. Wir stellen jetzt den ganzen Laden auf den Kopf und wegen der Lebensmittel bekommt das Labor eine Menge Arbeit. Bis Ergebnisse vorliegen wird es aber leider etwas dauern, 2-3 Tage, mindestens, vielleicht auch länger. Aber ich informiere dich sofort wenn es soweit ist. Versprochen, ganz bestimmt"
Jan erklärte: "Ich weiß, dass du das tust. Dann mache ich mich mal auf, bis dann"

Im Auto wollte Jan zuerst Leni anruefen, da fiel ihm ein, dass es tiefe Nacht war, noch immer stockdunkel. Er wunderte sich, denn der Ablauf war ihm wie eine stundenlange Aktion vorgekommen. Dabei war alles viel schneller als erwartet gegangen. Jetzt war das geschehen, worauf Jan gelauert hatte.

Jan wunderte sich, dass er trotz dem Positiven nicht im 7. Himmel schwebte. Wusste, dass er dafür viel zu sehr Realist war, denn dieser Volltreffer konnte alles, aber auch wieder nichts bedeuten. Erst recht für Benni. Trotzdem tobte in Jan so ein heftiger Orkan das er sich gewaltsam zu Ruhe zwingen musste. Er wusste nur zu gut, dass alle Erregung nichts half. Abwarten hieß es nun was Ben ihm irgendwann mitteilen würde.

In der Klinik flüsterte er Benni zu: "Ab jetzt bin ich wieder die ganze Nacht bei dir. Aber die genauen Abläufe behalte ich lieber für mich. Bin aufgeregt genug. Das braucht sich nicht auch noch auf dich übertragen"

Leni fragte später: "Jan, hat sich diesmal bei deiner Überwachung etwas getan?"
"Ja und Nein" entgegnete Jan und erzählte den ganzen Ablauf

Leni rief erfreut: "Aber das ist doch toll Jan. Wieso sagst du dann Ja und Nein?"
Jan erklärte ihr, was er mit Ben durchgesprochen hatte und welche Zweifel er noch immer selbst hatte, da sich schlimmstenfalls für Benni alles als nutzlos erweisen konnte
Leni umarmte ihn: "Denke positiv Jan. Warum soll denn nicht endlich das Glück zurück kommen und Benni wieder gesund werden. Vor allem weil alles auf deinem übermenschlichen Einsatz beruht. Soviel Vaterliebe wird belohnt"
Jan versuchte zu lächeln: "Werde mich bemühen ein folgsamer Junge zu sein und an deine Worte zu glauben"
"Legt sich der folgsame Junge jetzt auch schlafen?" foppte Leni
Jan nickte, küsste Leni noch innig und war schon draußen

Oh ja, er sehnte sich wirklich nach Schlaf, nach dieser aufregenden Nacht. Dachte aber auch, dass er noch aufmerksamer auf das Telefon lauschen musste. Nicht nur Leni, auch Ben konnte jetzt anrufen. In nächster Sekunde wusste Jan aber, dass es für Bens Anruf noch viel zu früh war. Trotzdem legte er das Telefon noch näher an das Bett als die Tage zuvor

Leni hielt es für richtig Dr. Wend von der Nacht zu berichten, endete: "Jetzt wird sich Jan nicht mehr die Nächte um die Ohren schlagen"

Dr. Wend entgegnete: "Das finde ich vor allem als Arzt sehr gut für Herrn Maybach. Aber jetzt mache ich mir Sorgen, dass er durchdreht wenn sich seine Hoffnung zerschlägt"
Leni schüttelte den Kopf: "Da kann ich Sie beruhigen. Jan glaubt noch lange nicht an Erfolg. Er hebt nicht ab, steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Er hält sich auch vor Augen, dass die ganze Aktion umsonst war"
"Das ist gut" bekundete der Dr., verschwieg Leni aber, dass er sich so oder so weiter Sorgen um Jan machte

Jan fühlte sich gestärkt als er erwachte. Aber beim Aufstehen schwankte er doch sehr. So starker Schwindel überkam ihn, dass er sich festhalten musste. Jan redete sich ein, dass er jetzt ohne nächtliche Asia-Blitz Überwachung die körperlichen Defizite schnell wieder aufhole.
Aber trotz einer langen Dusche, brachte er auch heute wieder keinen Bissen runter. Zeit darüber nachzudenken nahm er sich nicht, zu sehr zog es ihn nach Benni

Im Krankenzimmer war alles ruhig, auch Leni. Trotzdem studierte Jan die Monitore ängstlich ganz genau
Allein mit Benni versank er wieder in Erinnerungen, dachte diesmal an Bennis Einschulung. Auch da erregte es Aufsehen, dass nur der Vater bei dem Jungen war. Aber im Gegensatz zum Hort, erklärte Benni jetzt: "Mein Papa ist zugleich meine Mama" und wer es von den Kindern nicht kapierte wurde einfach von ihm stehen gelassen

Hi Walli,
inzwischen mache ich mir aber echt Sorgen um Jan denn ich glaube er steht kurz vor einem Zusammenbruch oder es passiert ihm etwas anderes. Aber ich lasse mich überraschen was du noch alles mit dem armen Kerl vor hast. Schönen Abend und bis bald wieder Kathy

Von den Müttern/Eltern wurde Jan aber akzeptiert, gehörte dazu. Auch wenn die Verwunderung blieb warum er als Vater das Sorgerecht hatte

Jäh wurde Jan aus den Gedanken gerissen, als Hajo plötzlich polterte: "Da hast du dir mit der Nachtwache ja wieder einen Oberhammer geleistet Jan"
Erschrocken fuhr Jan herum, sah Hajo mit großen Augen ängstlich an
Hajo polterte weiter: "Jetzt sieh mich nicht an wie ein kleiner Junge der Angst vor Prügel hat. Sage mir lieber warum du nichts gesagt hast?"
Jan schluckte und schluckte, dann krächzte er: "Weil ich genau diese Reaktion erwartete. Du schimpfst und verbietest es mir"
Hajo winkte ab: "Ach was, ich bin sauer weil wir dir hätten helfen können"
"Helfen?" hauchte Jan irritiert
Hajo wiederholte: "Helfen genau. Wir 3 hätten uns bei der Überwachung abgewechselt. Ist doch nicht zu fassen, dass du, den es vor Sorge um Benni zerreißt, dich auch noch nachts auf die Lauer legst. Jan du machst dich mit allen Mitteln völlig kaputt"

Jan schwieg
Hajo forderte: "Hallo, ich rede mit dir KOK Maybach"
Leise fragte Jan: "Woher weißt du überhaupt, hat Leni....."
Hajo fiel ihm ins Wort: "Nichts Leni, die ist genauso stur wie du Jan, kann schweigen. Ben kam euuphorisch reingestürmt, hat mich beglückwünscht was ich für einen tollen Stellvertreter habe, der mal so eben ganz nebenbei nachts allein auf ein Wespennest stößt"
"Verstehe" krächzte Jan nur
Hajo erregte sich: "Gar nichts verstehst du, sonst hätte ich längst eine Antwort warum du uns das nicht überlassen hast"
Jan rang nach Worten, endlich stammelte er: "Hajo, glaube mir, ich bin mir total bescheuert vorgekommen bei der Aktion. Habe mir immer gesagt, was machst du für einen Unsinn, bringt ja doch nichts. Doch ich konnte nicht aufhören, es ging doch um Benni. An einen Hauch Hoffnung musste ich mich klammern. Hätte nie mit deinem Einverständnis gerechnet. Ich weiß welcher bedingungslose Zusammenhalt uns 4 verbindet, glaubst gar nicht wie dankbar ich euch bin. Aber euch wegen meinem Starrsinn Nachtwachen zumuten, nein das hätte ich niemals"

"Selbst wenn ich vorher von deinem Einverständnis gewusst hätte. Nein diese Zumutung für euch wäre nie infrage gekommen" endete Jan
Hajo erregte sich: "Sage ja, du bist so stur. Mensch Jan, lass dir doch helfen"
Jan schüttelte den Kopf: "Dabei niemals Hajo. Wie gesagt, bin mir selbst vorgekommen wie der größte Idiot. Dafür zulassen, dass du dir den Rücken im Auto verrenkst. Ina Paulchen allein lässt und Vince von seinen Freundinnen abhalten. Es reicht wenn ich mich zur Witzfigur mache, ich habe ja Benni als Argument"
Hajo entgegnete: "Jan, es wird Zeit das du umdenkst. Wir bangen mit dir um Benni und haben Verständnis für Außergewöhnliches. Das es kein Witz war, zeigte ja der Einsatz von Ben. Aber was ist denn jetzt überhaupt rausgekommen"
Jan meinte: "Wenn Ben bei dir war, weißt du ja sicher auch das es noch abwarten heißt"
"Und du?" fragte Hajo leise
"Was ich?" sah Jan ihn ratlos an
"Na wie du dich fühlst will ich wissen" bohrte Hajo
"Wie auf heißen Kohlen an denen ich festklebe" krächzte Jan

Hallo Walli,
auch ich möchte dir mitteilen, dass ich deine Geschichte täglich weiterverfolge. Bin schon, genau wie Kathrin, gespannt wie es weiter geht und was Jan noch so zu "durchstehen" hat.
Schönen Abend noch
Moritz

Hallo Kathy und Moritz,
freut mich, dass euch die Geschichte gefällt auch wenn sie "anders" ist. Wollte Jans Emotionen in den Mittelpunkt stellen, da es ja immer die besten Folgen sind wenn er Gefühle zeigt. Meine das gilt auch noch für Benni, wenn man ihn auch leider kaum noch sieht. Doch bei "Im Focus" erlebten wir doch den "Vater Jan". Für mich sprach die Szene wo er sich die Kinderfotos anschaut schon Bände, auch wenn kein Wort fiel LG Walli

Hajo meinte: "Deutlicher kann man die Abwartsituation nicht ausdrücken. Jan, wenn du Beistand brauchst....."
Jan ergänzte: "Habe ich deine Nummer, danke dir Hajo. Richte das bitte aber auch Ina und Vince aus"

"Puh" ließ Jan erst mal Luft ab als Hajo gegangen war, dachte: "Das Hajo immer erst den Drachen geben muss, bevor er das zahme Kätzchen rauskehrt. Mit seinem Einverständnis hätte ich nun wirklich nicht gerechnet. Dann auch noch die Wachen übernehmen. Meine Güte, bessere Freunde kann man sich nicht wünschen. Trotzdem hätte ich nichts gesagt. Meine Handlungen sind doch emotionalgesteuert. Ach Junge, ich verstehe mich ja selbst nicht mehr. Aber ich kann nicht anders" drückte er Bennis Hand ganz fest

Zurück im Büro meinte Hajo: "Wir sollten verhindern, dass Jan noch mal so einen aufreibenden Alleingang startet"
Ina entgegnete: "Asia-Blitz ist erledigt. Es gibt nichts mehr wo Jan noch forschen könnte. Jetzt wird er nicht mehr von Bennis Seite weichen"

Hajo grollte: "Man kann nie erahnen auf was Jan noch alles kommt. Wir können uns nun mal nicht in ihn hineinversetzen"
Ina antwortete: "Da hast du recht, aber wie willst du etwas verhindern. Wir können Jan ja nicht in Ketten legen"
Hajo meinte: "Aber wir könnten uns abwechseln, ihn bzw. den Ausgang im Auge behalten, damit Jan nicht wieder in die Nacht hinauszieht"
Vince wimmelte aufgeregt ab: "Nein Hajo, ohne mich. Da mache ich nicht mit"
Hajo brüllte: "Klar erst rumtönen, dass ihr Jan helfen wollt, aber dann schnell den Schwanz einziehen. Ina redet sich schnell heraus kein Kindermädchen für Paul zu haben und bei dir Vince steht doch dein Liebesleben weit vor der Hilfe eines Kollegen"
Vince erregte sich: "Oh nein Hajo, so nicht. Das lasse ich mir nicht nachsagen. Ob du es glaubst oder nicht, ich stehe zu Jan, auch wenn er unter meinen Touren kann schön zu leiden hat. Zugegeben mit blöden Sprüchen, die Jan immer ganz schön treffen, bin ich schnell dabei. Aber das kommt automatisch, merke das gar nicht. Auch wenn ich schon gelabbert habe, Jan sei schön doof gewesen sich so früh ein Kind anhängen zu lassen. Ich möchte noch nicht Vater sein. Trotzdem bewundere ich Jan weil er Benni so ein guter Vater ist"

"Wir können nicht mal ahnen was Jan jetzt durchmacht und das tut mir sehr, sehr leid. Aber egal welchem Phantom Jan jetzt noch nachjagt, ich werde ihn nicht daran abhalten, weil er nicht anders kann. Er tut es für Benn" meinte Vince zum Schluss
Ina meldete sich: "Ausnahmsweise habe ich Vince Worten fast nichts hinzuzufügen. Nebenbei bemerkt, mit meiner neuen Nachbarin habe ich jetzt jederzeit Betreuung für Paul. Ich stehe dazu Jan zu helfen, für ihn dazu sein. Aber nicht indem ich Jan mit Gewalt von etwas abhalte. Hajo, alles was Jan tut und sei es auch noch so kurios, er macht es für Benni. So überzogen das auch klingt, Jan macht es für sein eigen Fleisch und Blut. Da können wir nicht mitreden, uns nicht hineinversetzen. Jan wird von Emotionen, Vatergefühlen gesteuert und i c h würde niemals wagen ihn von etwas abzuhalten. Vielleicht würde ich mich bei Paul genauso verhalten und du Hajo, bist du nicht auch zu allem Unerklärlichen fähig wenn es um Leni ginge?"
Hajo sah die 2 einen Moment an, dann stammelte er: "Vermutlich habt ihr recht. Habe mal wieder fix den Rasenden gegeben. Wenn doch im Labor bei den Asia-Blitz-Produkten bloß der entscheidende Stoff gefunden würde. Dann hätte dieser Horror für Jan endlich ein Ende"

Jan ging neben Benni sitzend soviel durch den Kopf das es längst tiefe Nacht geworden war. Trotzdem zogen sich die Stunden in die Länge. Die Schwester hatte auch viel zu tun, da blieb keine Zeit für Gespräche. Das schummerige Licht machte Jan schläfrig. So oft waren ihm schon die Augen zugefallen, um sie dann ganz schnell wieder aufzureißen. Bis zum Morgen war es noch lang. Jan ging zum Fenster, öffnete es, steckte den Kopf in die kühle Nachtluft hinaus. Spürte schon bald, dass ihm das auch nicht viel half. Also warf er sich kaltes Wasser ins Gesicht. Danach eine Tasse Kaffee. Aber die Müdigkeit haftete an Jan
Er dachte: "Benni ist hier gut betreut, wenn ich die Nächte in meinem Bett verbringe...."
Die Antwort gab er sich sofort: "Ich hätte keine Ruhe. Die paar Stunden die ich Dank Leni schlafe ist Benni immer in meinem Unterbewusstsein. Nein, nein, ich kann nicht solange weg von ihm sein"
Damit war die Überlegung beendet. Jan schlug sich weiter durch die Nacht

Morgens erklärte Leni: "Papa hat angerufen. Ich soll dir sagen, es tut ihm leid dich beschimpft zu haben. Jan bitte glaube mir, von mir wusste er nichts"
Jan beruhigte sie: "Das habe ich nie angenommen. War ja klar wenn Ben eingeschaltet ist, dass Hajo es erfährt
Aber ihm braucht nichts leid zu tun. Ohne Poltern geht eben nichts bei ihm"

Jan fuhr fort: "Hat mir aber ziemlich eindringlich klargemacht, dass ich Freunde habe die man lange suchen muss. Kannst Hajo noch mal meinen Dank ausrichten. Ist schon in Ordnung dein Vater"

Jan musste sich bei der Fahrt sehr konzentrieren, rieb sich immer wieder die Augen. Wunderte sich, warum er so fertig war, obwohl er in der Nacht doch nicht mehr auf der Lauer gelegen hatte. Aber er vergaß nicht das Telefon ganz nahe ans Bett zu legen. Außer, dass jederzeit etwas mit Benni sein konnte, erwartete er ja auch noch sehnlichst Nachricht von Ben

Dr. Wend kam zu Leni, fragte: "Gibt es schon Neuigkeiten?"
"Leider nicht" schüttelte Leni den Kopf
Dr. Wend blies die Backen auf: "Mann das ist ja der reinste Psychokrieg. Hoffentlich geht Herr Maybach nicht auch noch als Verlierer vom Platz"

Jan erwachte zu der Zeit die er sich vorgenommen hatte. Aber Aufstehen fiel ihm so schwer. Er spürte noch immer die Kraftlosigkeit in sich, als hätte es die Stunden Ruhe gar nicht gegeben. Beim Duschen ließ er sich immer und immer wieder kaltes Wasser über Gesicht und Kopf laufen. Munterer wurde er dadurch auch nicht. Da war er auch wieder, der Schwindel. Nur taumelnd konnte Jan alles weitere verrichten

Essen machte sich Jan erst gar nicht, verspürte nicht ein bisschen Hunger. Fragte sich, wann er zuletzt gegessen hatte. Jan erinnerte sich nicht, es war ihm auch egal. Sollte ihm der Magen wirklich in die Kniekehle rutschen, gab es ja die Klinikkantine. Jan verstand nicht, warum er so lahm, ohne Elan und schwindelig war. Beschimpfte sich doch kein Opa zu sein, schließlich ging es um seinen Sohn. Viel schneller machte das Jan auch nicht. Nach dem Prinzip Hoffnung peitschte er sich förmlich voran.

Wie immer, sah Leni auch heute wieder, dass Jan trotz der Stunden Ruhe furchtbar fertig, abgekämpft aussah. Sagte aber nichts. Wozu, es änderte ja doch nichts. Jan würde nie von Bennis Seite weichen

Später flüsterte Jan mit gespieltem Humor Benni zu: "Hatte dich auch im Schlaf vor mir, wie ein Verliebter der seine Schöne nicht aus dem Kopf bekommt. Da fiel Jan ein, wie schwer sich Benni getan und wie lange es gedauert hatte, bis er schüchtern von seinem Schwarm Dora berichtete. Dabei hätte er doch wissen müssen, dass er bei seinem Vater dafür auf großes Verständnis traf. Jan gestand sich ein, dass er selbst sich lange schwer getan hatte mit Mädchen. Die vielen die für ihn schwärmten hatten ihn irritiert, eingeschüchtert. Vielleicht lag es auch an seinen Eltern, denn Harmonie kannte er ja nicht. Gerade sein Vater beurteilte Frauen abfällig, vor allem seine Mutter. Na ja, schön sah sie damals wirklich nicht aus in ihrem ständig betrunkenen Zustand.

Aber als Jan Anja begegnete änderte sich schlagartig alles. Sofort verliebte er sich in sie. Meine Güte, wie glücklich waren sie damals und Jan war sich so sicher, die Frau zu lieben mit der er alt würde. Sicher, Benni war so früh nicht geplant. Aber Jan erinnerte sich, irgendwie erleichtert gewesen zu sein nicht Jurist werden zu müssen. Polizei hatte ihn gereizt und er hatte es bis heute nicht bereut. Mit seinem damaligen Eintritt hatte er für seine kleine Familie eine Existenz aufbauen können. Damals immer noch überzeugt, in Anja die Idealfrau zu haben. Sie war so hübsch gewesen. Eine reizende Frau, die man einfach lieben musste. Bis, ja bis zu ihrem schrecklichen Wandel, den Jan heute noch nicht verstand. Viele schwere Jahre folgten. Aber bis zu dieser Sekunde war er trotz allem glücklich so einen prächtigen Sohn zu haben, den er tief und innig liebte

Plötzlich wurde Jan aus seinen Erinnerungen gerissen, als sein Handy summte. Eine SMS von Ben: "Erste Ergebnisse vom Asia-Blitz liegen vor. Melde dich bitte"
Jan war schlagartig von totaler Unruhe erfüllt. Jeder Nerv zum Zerreißen angespannt
Erregt flüsterte er Benni zu: "Bin gleich wieder da mein Großer"
Schnell wählte er vor der Klinik Ben an
Als Jan sich meldete sprudelte dieser hervor: "Mensch Jan, dass ist der größte Schlag den wir seit langem hatten"

Ben überschlug sich fast beim Reden: "Vergammeltes, manipuliertes Fleisch und Lebensmittel haufenweise, abgelaufene Haltbarkeit. Das Labor ist noch am auswerten, welche Giftstoffe da eine Rolle spielen. Die polnischen Kollegen sind informiert. Schätze, kommt ein Berg von Verbrechen zusammen, z.B. unerlaubter Waffenbesitz, vielleicht stellt auch der Zoll Ansprüche usw. Jedenfalls schlägt alles hohe Wellen. Dein Riecher Jan, einfach......"
Aufgeregt unterbrach Jan den Wortschwall: "Ben was ist mit Obst. Auf welche verfaulten oder manipulierten Obstsorten seid ihr gestoßen?"
Irritiert fragte Ben: "Obst Jan wieso fragst du nach Obst?"
Hastig stieß Jan hervor: "Ach das weißt du ja nicht. Aber Bennis Vergiftung wurde durch Obst ausgelöst. Deshalb frage ich danach. Also, welche mysteriösen Obstsorten habt ihr gefunden?"
Es blieb still in der Leitung
Jan rief: "Ben jetzt rede doch"
Silbe für Silbe stammelte Ben: "Jan das Obst ist frisch, einwandfrei, jedes Stück"
Verzweifelt hauchte Jan: "Wirklich alles, ist das ganz sicher?"

Verlegen erklärte Ben: "Ganz sicher Jan, bis zur kleinsten Beere. Denn Obst hatte der LKW nicht geladen. Durch Belege wissen wir, dass alles Obst von einem Leipziger Obsthändler gekauft wurde. Dieser Händler ist mehrfach gerade wegen seiner guten Qualität, Frische, reinen Aufzucht ausgezeichnet worden"
Jan hatte das Gefühl als öffne sich der Boden unter seinen Füssen, falle er in ein tiefes schwarzes Loch, woraus es keinen Ausweg gab. Alles drehte sich um ihn. Er nahm seine Umgebung nicht mehr wahr. Die grenzenlose Verzweiflung brannte so furchtbar in ihm, als würde sie ihn in der nächsten Sekunde vernichten
Bens Rufen: "Jan bist du noch dran, Jan sage doch etwas" holte ihn ein kleines Stück in die Realität zurück
Tonlos stieß er hevor: "Ja, ich bin noch dran"
Mitfühlend brachte Ben hervor: "Jan es tut mir so unendlich leid"
Jan stammelte: "Kannst ja nichts dafür. Wir sprechen später noch mal" drückte er Ben schnell weg. Er brauchte die Tränen in seiner Stimme nicht zu hören
Jan zog sich in eine Ecke zurück. Ja er musste weinen und mit jeder einzelnen Träne schien die Hoffnung ganz zu schwinden. Nach dem Tränenstrom fühlte sich Jan so leer, ausgebrannt, die Emotionen die in ihm tobten waren nicht zu beschreiben. Er ging ein Stück weiter, bis zu einer Bank, wo er kraftlos niedersank

Jan vergrub verzweifelt sein Gesicht in den Händen, kam sich wie in einem finsteren Tunnel ohne Ausgang vor
"Ende, Aus, Untergang, Verderben" diese und viele andere Gedanken schwirrten in Jans Kopf herum
Von weitem wirkte er wie eine Statute, so erstarrt war seine Haltung. Jan merkte nicht wie die Zeit verging. Lange
lange saß er einfach nur so da, aufgerissen, wund von seinen schmerzvollen Gefühlen. Von Gedanken so heftig hin- und hergerissen, dass er glaubte den Verstand zu verlieren
Irgendwann kamen Leute vorbei, redeten, lachten lautstark miteinander. Das peitschte Jan hoch, machte ihm klar, dass er nicht ewig hier sitzen konnte. Musste trotz diesem Schlag zurück zu Benni

Zuvor rief er aber Leni an, die sofort erschrocken ausrief: "Jan ist etwas passiert, geht es Benni schlecht?"
Niedergeschlagen kam es von Jan: "Nein, nein bei Benni ist alles unverändert. Wollte dir mitteilen, dass die untersuchten Produkte vom Assia-Blitz ein Flop bezüglich Benni waren" erzählte er Leni nun alles ausführlich
Jans Stimme wurde immer leiser und Leni hörte nur zu gut wie sehr er die Tränen unterdrückte
Als er still war, stieß Leni entsetzt hervor: "Oh nein Jan und gerade darauf hatten wir so sehr gehofft. Soll ich zu dir kommem?"
Jan hauchte: "Danke Schatz, ist lieb von dir. Aber dadurch ändert sich ja auch nichts. Wir sehen uns später"

"Bis bald" meinte Leni noch, aber Jan hatte schon aufgelegt
Er kam sich uralt vor, als er sich durch den Eingang schleppte und so sah er auch aus. Gebeugte Schultern, den Kopf tief nach unten hängend, schritt Jan so lahm voran als hätte er Zentnerklötze an den Beinen
"Herr Maybach, um alles in der Welt was ist den geschehen?" rief Dr. Wend der gerade über den Flur kam. Jan am Arm festhalten musste, weil dieser gar nichts von seiner Umgebung mitbekam
Jan hob den Kopf, sah den Dr. aus so verzweifelten Augen an, dass dieser noch mehr erschrak. Wie er überhaupt über Jans ganzes Aussehen, seine Haltung entsetzt war. Bemerkte sofort, dass er heftig taumelte, sich kaum noch auf den Beinen halten konnte
"Passiert?" krächzte Jan nach einer Ewigkeit
Erregt meinte Dr. Wend: "Ja passiert Herr Mayach. Wenn Sie sich sehen könnten, dass sind doch nicht mehr Sie. Um Jahre gealtert, in sich zusammengefallen. Sie machen mir Angst. Also was ist los?"
Jan lachte leise bitter auf, hauchte dann: "Nichts ist los, außer, dass eine Nachricht negativ war"
"Das erzählen Sie mir in aller Ruhe und ausführlich" schob Dr. Wend Jan ein Stück voran, bis in sein Zimmer hinein, drückte ihn auf einen Sessel

"Also Herr Maybach, eine Nachricht, von was, über was, mit welcher Bedeutung, erzählen Sie" forderte der Dr.
Jan schluckte, schluckte, musste sich überwinden, suchte nach richtigen Worten, bis er langsam, abgehackt stammelte: "Im Asia-Blitz wurde eine Lieferung Lebensmittel aus Polen sichergestellt und untersucht"
"Nachdem Sie sich nächtelang auf die Lauer gelegt hatten" ergänzte Dr. Wend
"Sie wissen, aber wieso?" fuhr Jan erschocken hoch
"Weil Sie Benni nie alleine gelassen haben ohne die Schwester zu informieren" erklärte Dr. Wend
Jan hauchte: "Verstehe, aber Sie haben es mir nie verboten"
Der Dr. fragte: "Hätten Sie es sich denn verbieten lassen?"
Jan sah den Arzt nur groß an, blieb stumm
Dr. Wend meinte: "Genau Herr Maybach, Sie hätten es sich nie verbieten lassen. Sie machten nichts verbotenes, sind dazu noch Polizist. Also warum sollte ich Sie dann daran hindern"
Jan senkte betrübt den Kopf
Dr. Wend fragte: "Die Nachricht betraf bestimmt die Untersuchung, die nicht das von Ihnen erhoffte Positive brachte"

Traurig flüsterte Jan: "Die Ladung war oberfaul, eine Menge Verdorbenes. Nur das Obst ist einwandfrei. Das steht 100%ig fest"
Dr. Wend entgegnnete: "Jetzt ist klar, warum Sie fix und fertig sind. Hoffnungslos trifft wohl besser zu, denn gerade dadurch dachten Sie doch auf den Auslöser zu stossen und jetzt haben Sie grenzenlose Angst, dass Benni nicht zu retten ist"
Jan brauchte eine Weile, dann flüsterte er: "Ja, Nein. Ach Herr Dr. glauben Sie bitte nicht, dass ich kein Vertrauen in Sie, in die Behandlung habe. Ich weiß, dass mein Sohn hier in besten Händen ist. Sie alles tun. Aber der genaue Erreger will sich einfach nicht herausstellen. Da dachte ich, meinte ich, ich wollte.... Ach ich weiß auch nicht. Ich habe irgendwie darauf gehofft, dass die Lösung im Asia-Blitz liegt. Ja es war blöd, bescheuert, ich glaube mein Verstand hat ausgesetzt"
Dr. Wend konterte: "Absolut nicht Herr Maybach. Ihr Verstand arbeitet noch messerscharf. Hätte doch absolut sein können, dass genmannipuliertes Obst gefunden wird oder solches, was durch die lange Anlieferungszeit schon überreif ist, aber noch frisch aussieht. Aber gerade hier entstehen durch die Überreife oft Giftstoffe. Glauben Sie mir, ich verstehe Sie nur zu gut. Wenn ich der Vater wäre, würde ich auch schnelle Hilfe wollen"

Dr. Wend beschwichtigte: "Es ist doch nicht verwerflich, wenn Sie sich an einen Strohhalm klammern. Ja die Überwachung war eine kuriose Aktion. Aber Sie lieben Benni doch viel zu sehr, um einfach nichts tun zu können. Einen Hoffnungsschimmer braucht doch jeder. Vielleicht hat gerade das Sie hochgehalten. Aber jetzt Herr Maybach, ich mache mir ernsthaft Sorgen um Sie"
Jan flüsterte: "Danke für Ihr Verständnis und Mitgefühl. Aber Sorgen müssen Sie sich keine machen"
Zweifelnd fragte der Dr.: "Na ich weiß nicht. Jetzt wo der Asia-Blitz nichts gebracht hat, sind Sie doch am Boden zerstört"
Man sah, dass es hinter Jans Stirn arbeitete, er tat sich schwer mit der Erklärung: "Ich weiß nicht wie ich das verständlich ausdrücken soll. Ich wurde ja selbst hin- und hergerissen. Einerseits dachte ich beim Asia-Blitz muss der Schlüssel liegen. Dann sagte ich mir wieder was machst du da überhaupt für einen Quuatsch, hast dich totel verrannt. Genauso oft wie ich mir sagte auf Ihr Labor, auf Ihre Behandlung zu hoffen, genauso oft hat es mich wieder dort hingetrieben"
Dr. Wend beruhigte: "Ist schon o.k. Herr Maybach. Sie sind mir keine Erklärung schuldig und wenn man, wie Sie, von Emotionen und Vaterliebe getrieben wird, fehlen einem sowieso die Worte"

Bedrückt fragte Jan jetzt: "Verweigern Sie Benni jetzt wegen meiner bescheuerten Aktion die Behandung. Muss ich ihn in eine andere Klinik verlegen lassen?"
Dr. Wend wurde laut: "Schluss mit dem Quatsch, Herr Maybach. Ich sagte, dass ich Sie verstehe, also behandeln wir Benni natürlich auch weiter, Es tut mir ja selbst leid, dass ich Ihnen keine großen Fortschritte verkünden kann, umso mehr steigert sich natürlich Ihre Angst"
Verzweifelt fragte Jan: "Hat sich denn bei Benni überhaupt noch nichts gebessert, auch nicht ein bisschen?"
Dr. Wend antwortete: "Ein bisschen schon. Dieser entscheidende Blutwert, woran wir die Vergiftung messen, ist minimal gefallen. Aber eben nur minimal. Es reicht noch lange nicht aus um zu sagen die Vergiftung weicht aus Benni"
Jan nickte nur
"Ihr Einverständnis vorausgesetzt führen wir die Behandlung so fort" meinte Dr. Wend
Jan bekräftigte: "Aber natürlich. Sie haben Benni ja nicht aufgegeben. Sagen ja selbst, dass er wieder gesund werden kann, wenn keine Komplikationen auftreten"
Der Dr. beteuerte: "So ist es und warum sollte ein so prächtiger Junge nicht bald wieder toben können"

Jan reagierte nicht darauf. Wie in Trance war er gekommen. Wie in Trance saß er noch immer da
Dr. Wend ging jetzt zu ihm, meinte: "Jetzt werde ich Sie mal behandeln"
"Ich bin o.k." kam es müde von Jan
"Das sieht man Herr Maybach. Sie wirken als ob Sie jede Sekunde zusammenklappen" meinte Dr. Wend
"Sieht nur so aus, ich bin wirklich o.k." murmelte Jan
Der Dr. prüfte jetzt den Blutdruck. Jan ließ es willenlos geschehen
Nach der Messung hielt er Jan die Zahlen hin: "Das nennen Sie o.k. Ihre Werte sind so astronomisch hoch, dass ich Sie am liebsten sofort auf die Kardiologie schaffen würde. Sind Sie herzkrank?"
Jan krächzte: "Nein, mein Herz ist gesund, sonst wäre ich wohl kaum noch Polizist. Aber Sie bringen mich noch soweit, dass ich aus dem Zimmer flüchte"
Dr. Wend besänftigte: O.k. keine Kardiologie, aber eine Spritze gebe ich Ihnen"
Jan wehrte ab: "Nicht nötig, der Blutdruck fällt auch wieder"
Dr. Wend wurde energisch: "Herr Maybach, ob Sie wollen oder nicht. Ich darf Sie mit diesem hohen Blutdruck nicht unbehandelt gehen lassen. Sie einem Kreislaufkollaps oder einem Zusammenbruch aussetzen"