Fehlende Erinnerung

Aber jetzt ihre Stimmen, ihr Weinen, ihr Schluchzen zu hören, dass war so,so....
Jan konnte es nicht beschreiben, wusste nicht wie er damit fertig werden sollte. Das hatte ihn in ein Verderben gezogen, aus dem er keinen Ausweg fand, seine Psyche vollkommen zerstört. Er litt grauenhaft, konnte nicht mehr unterscheiden ob ihn die physischen oder psychischen Schmerzen mehr quälten. Jan wollte nicht feige sein, aber sein Tod hätte der vernichtenden Hölle, die so sehr in ihm rumorte, ein Ende gesetzt

Der Polizeiarzt entließ Leni und Benni erst, als er glaubte, dass sie sich einigermaßen von dem Zusammenbruch erholt hatten. Man brachte sie nach Hause. Es gab keinen Widerstand. Kein Ton fiel mehr, dass sie wieder ins Büro wollten. Eine Person vom sozialen Dienst betreute sie. Aber die Reaktionen der 2 waren sehr verschieden
Benni nahm einige von Jans CD´s mit in sein Zimmer und setzte sich die Kopfhörer auf. Mit der Musik seines Vaters im Ohr versuchte er ihn sich vorzustellen, ihm nahe zu sein
Leni ging zu Bett, glaubte sich Jan da am nahesten. Unterstützt von Tabletten, den Kopf tief in Jans Kissen gegraben, schnuppernd seine Decke an die Nase gezogen, schlief Leni wirklich bald ein

Hajo war verzweifelt wegen Leni, wegen Benni und wegen Jan am allermeisten. Immer wieder kam von ihm:
"Ich bin an allem schuld, nur ich allein"
Irgendwann pflaumte Beck ihn an: "Schluss jetzt Hajo, das ist Blödsinn. Polizisten kann es nunmal jederzeit sehr, sehr hart treffen. Das gerade Jan die Zielscheibe ist, dafür gibt es keinen Schuldigen"

Hajo keifte: "Natürlich mich. Die Pressekonferenz, diese verdammte Konferenz. Ich stellte Jan in den Focus, nur deshalb schnappten sie ihn. Ich müsste eigentlich an seiner Stelle sein"
Ernst meinte Beck: "Missverstehen Sie mich jetzt nicht. Keiner, auch ich nicht, wünscht Jan in diese Lage. Aber er lebt noch, ist sehr gefasst wie wir hörten. Glaube kaum, dass das nach all der Zeit bei Ihnen auch so wäre. Verzeihung Hajo, aber Sie würden nicht aushalten was Jan aushält"
Hajo erregte sich: "Gerade deshalb muss ich Jan helfen, was für ihn, seine Befreiung tun. Ich muss einen Weg, die Lösung finden"
"Hajo bitte" ermahnte Beck
Plötzlich rief Hajo: "Ich gehe zu Barth"
Alle starrten ihn entsetzt an, als wollten sie sagen "Er hat den Verstand verloren"
Hajo erklärte: "Warum so erstaunt. Wird zwar nicht gern gesehen, aber ich bin nicht der 1. der einen Boss zur Vernunft bringen will, wenn die Restbande ausflippt"
Vince rief: "Ich bin dabei"
Hajo entgegnete: "Geht klar. Was ist mit Ihnen Chef?"
Unsicher meinte der: "Ungewöhnlich die Aktion, aber Sie haben recht. Wir dürfen nichts unversucht lassen. Ich kümmere mich um die Genehmigungen"

Jan verfiel in Trance, verlor jedes Zeitgefühl, bemerkte nicht, dass es dunkel wurde, ihn finstere Nacht umgab. Auch nicht, dass es schon wieder Tag geworden
In seinen Ohren lief ein nicht zu stoppendes Band ab, mit Lenis und Bennis Stimmen, Weinen, ihrem Schluchzen. Jans Verfassung war inzwischen unbeschreiblich, so hätte ihn bestimmt Keiner wiedererkannt.
Er kauerte so fest an der Wand, wie ein Kind, dass Schutz hinter einer Mauer suchte, den Kopf tief auf die Brust gefallen, den Oberkörper so weit gebeugt, dass er bald auf den Beinen hing. So in sich zusammengefallen verharrte Jan immer weiter und weiter. Seit Anbeginn war er sich der Ausweglosigkeit bewusst, aber jetzt.......
Die Stimmen, das Weinen hatten alles verändert, machten Jan brutal bewusst, dass alles was ihn mit seinen Lieben verband zerrissen war, nie wieder kam. Sein Unterbewusstsein lehnte sich dagegen auf. Jan wollte es nicht zulassen, sich dagegen stemmen, all das Schöne festhalten. Aber vor ihm tat sich das Glück nur wie ein Sandberg auf, der schnell zwischen den Fingern entglitt. So unwahr verschwommen war alles. Jan merkte nicht, dass dies von den Tränen kam, die ihm unaufhörlich über die Wangen rannen. Fest biss er die Zähne zusammen, denn außer den Wunden, von denen er noch immer übersät war, loderte dieser psychische Schmerz noch grauenhafter in ihm. Jan hatte das Gefühl davon zerfressen, verbrannt, zerstückelt zu werden. Vor dem Tod hatte er nur untergeordnete Angst. Aber weshalb es zu seiner Lage gekommen war, der Gedanke daran war so grauenhaft, dass Jan glaubte den Verstand zu verlieren

Den Kerlen war Jans Verfassung egal. Es lief wieder alles ab wie gehabt. Zuerst gab es zu trinken und Jan trank
Danach verfiel er wieder in Trance
Später beim Essen öffnete Jan automatisch den Mund. Sein Ekel war größer als je zuvor, er musste sich noch eiserner zusammenreißen. Immer knapp davor wieder auszuspeien, hustete Jan zwischendurch oft heftig. Aber es war egal, alles so furchtbar egal, wenn sie ihn nur bald in Ruhe ließen. So ohne jedes Hungergefühl brauchte Jan lange bis er eine Gabel voll hinunterschluckte. Passte den Typen nicht, sie schrieen: "Mehr Tempo gefälligst" und gleich drauf knallte Jan die Faust ins Gesicht
Sein angeschlagener Kopf dröhnte, das Kinn schmerzte, aber auch das war ihm so egal
Jan mühte sich ab schneller zu esssen, was aber an dem anhaltenden Ekelgefühl scheiterte
Am Ende höhnte ein Typ: "Wir schließen das Mahl natürlich wieder mit der besonderen Verdauungstechnik ab"
Bedeutete, dass Jan wieder ein brutaler Tritt in den Magen traf
Er krümmte sich noch heftiger zusammen, dachte voller Aufruhr kurz: "Idiot, bin ich euch denn immer noch nicht genug zusammengefallen"
Dann fiel Jan wieder in seinen apathischen Zustand. Kein Blick mehr zu den Kerlen, kein Erschrecken beim Scheppern der Eisentür. Er hatte mit sich und allem was in ihm bohrte genug zu schaffen. Es kam Jan vor, als sei alles an und in ihm aufgerissen, eine einzige wunde Fläche, zu groß, als das es einen Verband dafür gab
Aber als sie später kamen, ihn hochrissen, er das Telefon sah, da wurde Jan unbeschreiblich mulmig. Seine Knie schlotterten, er begann zu hecheln, spürte wie sein Puls raste
Mit Beck verbunden meinte der Kerl: "Egal was bei euch Sache ist, ihr könnte gleich mit der Geisel sprechen"

Unsicher fragte Beck: "Jan hören Sie mich? Sagen Sie etwas"
Flüsternd brachte Jan hervor: "Sind, sind, Le, Leni und Be, Be, Benni, sind sie da, hören sie mit?"
Beck beteuerte: "Nein Jan, sie sind wirklich nicht da. Es tut mir leid wegen gestern. Ich möchte mich herzlich dafür bei Ihnen entschuldigen"
Jan krächzte: "Was ist mit den 2, wie geht es Benni und Leni?"
Beck stammelte: "Jan, ich muss Ihnen ja nicht sagen wie verzweifelt die 2 sind. Aber Sie werden betreut, medizinisch behandelt und ich versichere Ihnen, dass sie kein Telefonat mehr mithören"
Jan raunte: "Ja bitte, die 2 müssen unbedingt rausgehalten werden und bitte kümmern Sie sich weiter um sie"
Beck beteuerte: "Versprochen Jan, darauf können Sie sich verlassen........................Pause
Verlegenes Räuspern, dann krächzte Beck: "Jan wegen Barths Freilassung"
Jan hauchte: "Chef, Barth wird nicht freigelassen oder haben Sie etwas Neues zu berichten?"
"Nein Jan, nein leider nicht, aber trotzdem........" krächzte Beck
Jan unterbrach ihn: "Dann sollten wir das Gespräch beenden. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber auch ich, ich, ich" brach Jan hilflos ab
Beck setzte wieder an: "Jan glauben Sie mir, es ist noch nicht alles ausgeschöpft"
Aber Jan stand nur stumm da, brachte nichts mehr heraus
Stattdessen brüllte der Typ: "Den stahlharten Kerl hier bringen wir wohl nie zum Flehen. Aber ihr solltet Frau und Sohn dazu holen. Vielleicht bringt euch ja deren Jammern dazu Barth endlich freizulassen"

"Klack" endete das Gespräch
Lange Stille, dann murmelte Ina: "Die sollten Jan die Telefonate ersparen, für mich klingt es, als sei er am Ende"
Vince keifte: "Rede keinen Mist, Jan steht über so was"
"Du hast keine Ahnung Vince und kennen, kennen tust du Jan überhaupt nicht, sonst hättest du gehört was los ist" fuhr Ina ihn an
"Jan ist mein Partner, ich kenne ihn durch und durch" regte sich Vince auf
Hajo schüttelte den Kopf: "Nein Vince, du kennst Jan nicht. Ina hat recht. Jan ist am Ende. Das ist an jedem Wort, an jeder einzelnen Silbe zu hören"
"Quatsch" fuhr Vince auf
"Schluss jetzt" rief Beck "Hajo der Besuch bei Barth steht. An diesen Zipfel müssen wir uns jetzt klammern"

Jan bekam die Wut der Kerle, dass Barths Freilassung noch immer nicht durch war, schmerzhaft durch Schläge und Tritte zu spüren. Apathisch, in Trance kauerte er jetzt wieder am Boden. Von Bennis und Lenis Stimmen, Weinen, in seinen Ohren weiterhin so qualvoll gemartert, dass er glaubte jede Sekunde zu zerreißen
"Verdammt noch mal, ich kann doch nicht einfach abwarten bis sie mir die tödliche Kugel verpassen" durchzuckte es Jan plötzlich
Noch grauenhafter der Gedanke, dass er nicht durch Blei starb, sondern sie ihn zu Tode folterten. Zuzutrauen war es ihnen. Die zurückliegenden Verbrechen hatten gezeigt welche Barbaren sie waren

"Nicht aufgeben Papa" hallte es wieder in Jans Ohren. Dann schimpfte er stumm mit sich: "Verdammt, muss mir erst mein Junge beibringen in Fahrt zu kommen. Ein Teenager denkt vernünftiger wie ich. Ich will dich nicht allein lassen, will ich nicht Benni, bestimmt nicht. Sicher, Leni auch nicht. Ich bin überzeugt von unserer Liebe. Aber sie ist erwachsen, Polizistentochter, weiß, dass Polizisten jung sterben können. Benni weiß es auch, aber er ist mein Sohn. Nur weil ich mich einfach mit all dem hier abfinde darf er doch nicht allein bleiben. Was bin ich bloß für ein Rabenvater, dass mich mein eigenes Kind wachrütteln muss. Ich muss mich befreien, irgendwie, irgendeinen Weg wird es geben"
An die Tür dachte Jan erst gar nicht. War sich sicher, dass es dadurch kein Entrinnen gab
"Die Öffnung, das Fenster" fiel ihm ein
Das Verlies war so klein, dass Jan sich auf dem Gesäß nur 1x rumdrehen musste, hochschaute. Die kleingittrige Abdeckung hatte er noch in Erinnerung, sah aber auch den Hebel an der Seite. Überlegte, dass man damit normalerweise öffnen konnte und wenn es Standard war, saß das Fenster in der Abdeckung und klappte mit auf. Aber in der Höhe kam er nur mit ausgestreckten Armen da dran. Alles kein Problem, wenn seine Hände nicht auf den Rücken gefesselt wären. Zornig versuchte Jan sich gegen die Stricke zu stemmen. Presste die zusammengequetschten Hände auseinander. Es war ein Versuch wie er schon zahllose gemachte hatte, aber die Stricke weiteten sich keinen mm. Im Gegenteil, je fester er daran zerrte, desto tiefer schnitten sie ein. Jan hatte ohnehin schon lange das Gefühl die Seile scheuerten ihm auf die blanken Knochen. Trotzdem folgte dem 1. Versuch ein 2. und immer weiter, noch mal und noch mal. Die Fesseln mussten zu bezwingen sein.

Es schmerzte so sehr, dass Jan stöhnen musste. Er hechelte schon vor Anstrengung. Egal, bloß nicht aufgeben
Jetzt blieb Jan plötzlich die Luft weg. Automatisch hörte sein Abmühen auf, sah ein, dass es zwecklos war
Fieberhaft überlegte Jan mit was er die Fesseln trennen konnte, wenn er es schon nicht aus eigener Kraft schaffte
Das Loch in dem er steckte, war nicht nur winzig, es war auch vollkommen leer, nicht ein winziges Stück was er zur Befreiung nutzen konnte gab es hier
Verzweiflung kochte schon wieder in Jan hoch. Lange Zeit verharrte er nur hoffnungslos. Überlegte neue Möglichkeiten. Lenkte auch um, wenn nichts von hier, dann vielleicht von mir selbst. Dachte an die Entführung. Sein Handy steckte in der Jacke, die er auf der Hinfahrt im Auto ausgezogen hatte. Die Waffe war ihm von den Kerlen abgenommen worden. Sonst aber musste er alles noch bei sich tragen und dazu gehörte doch auch ein Klappmesser
Jan beschimpfte sich auf das Gröbste, erst jetzt daran zu denken, zumal es noch ein Geschenk von Benni war. Ein kleines Allroundwerkzeug, so schön flach, dass es bequem in die Hosentasche passte
Das war die Lösung
Jetzt setzte bei Jan Drehen und Winden ein, Körperverbiegungen nach allen Seiten. Nur seine Hände spielten nicht recht mit, so steif wie sie waren. Schon lange fühlte er nur 2 formlose Klumpen da hängen, die gleich abfielen. Jan spürte keinen einzigen Finger mehr, bewegen war undenkbar. Von den Händen ganz zu schweigen. Der kleinste Versuch sie wenigstens ein bisschen zu krümmen, durchpeitschte ihn mit so höllischen Schmerzen, dass er nur ganz knapp gellende Aufschreie unterdrücken konnte

Es war nur so ein kleines Stück bis zur Hosentasche. Für Jan aber wie ein Ziel in unerreichbarer Ferne. Manchmal fielen seine Hände schlapp hinab, direkt auf die Tasche. Dann spürte er quasi die Rettung unter seinen Fingern. Aber Jan wollte nicht spüren, er musste hineinkommen in die Tasche. Also weiter abmühen, drehen, winden, beugen. Er musste es schaffen, dass menschlichste Gebräuchliche, die Hände zu bewegen
Kamen die Kerle mit Trinken, mit Essen, versteifte sich Jan ganz fix. Nichts fiel auf. Warum sollte er auch nicht in dieser Stellung verharren
Am Telefon sprechen musste Jan heute nicht. Als die Kerle hörten man verhandele noch wegen Barths Freilassung, drohten sie wieder wütend mit Jans schneller Ermordung, beendeten das Gespräch
Kaum allein, setzte Jan sein schmerzvolles Schaffen fort an das Messer zu kommen

Höhnisch tönte Barth im Gefängnis: "Welch hoher Besuch, HK Trautschke und....?
"Polizeichef Beck" erklärte dieser
"Wie komme ich denn zu der Ehre?" spottete Barth
Hajo schrie: "Schluss mit dem Theater. Befehlen Sie sofort Ihrer Bande KOK Maybach freizulassen"
Barth tat erstaunt: "Maybach, Maybach......erinnere mich, habe davon gelesen. Da kann ich aber nichts machen, habe doch keinen Kontakt zu meinen Leuten"
Beck rief: "Kein Märchen Barth. Ist kein Geheimnis, dass Häftlinge problemlos kommunizieren. Sie träumen doch wohl nicht davon wirklich freizukommen. Also geben Sie schnellstens den Befehl KOK Maybach freizulassen"

Barth sah die 2 eiskalt an, grinste höhnisch über das ganze Gesicht
"Was ist jetzt!!! Stoppen Sie Ihre Leute. Sie kommen so und so nicht frei" brüllte Hajo
Vor Hohn triefend erklärte Barth langsam: "Warum soll das Exempel denn nicht funktionieren. Ihr zittert doch genug um Euren Bullen. Außerdem ist es gerecht. Maybach war einer von denen, die mich schnappten. Konnte doch vor Kurzem nicht laut genug tönen, dass die Polizei nicht erpressbar ist. Also bekommt er jetzt glashart bewiesen, wie sehr er sich täuscht. Klappt es nicht, stirbt er. Ausgleichende Gerechtigkeit. Mein Leben ist sowieso sinn- und wertvoller als das eines blöden Bullen"
Beck tobte: "Ihr Leben ist grausames Verbrechen. Sie richteten großen Schaden an, töteten Menschen und dafür soll Jan, KOK Maybach, soll ein Polizist, der die Menschen vor solchem Abschaum schützt, sterben. Wofür? Damit Sie weitere Verbrechen verüben"
Hoheitsvoll eklärte Barth: "Geld nehme ich nur von denen die sowieso zuviel haben, setze damit meine entwickelten intelligenten Pläne um. Die sich mir in den Weg stellten, mussten eben dran glauben. Dagegen ist doch die Bullenarbeit von Maybach das reinste Schlafmittel."
Hajo brüllte: "Sie sind komplett durchgeknallt Barth. Aber Jan ist ein Mensch, ein wertvoller Mensch. Hat Familie und verdammt noch mal das Recht zu leben, anstatt für Sie geopfert zu werden"
Barth winkte ab: "Gesülze. Ihr müsst mich einfach freilassen. Betont doch gerade jetzt wieder, dass Maybach am Leben bleiben muss. Ihr habt es in der Hand über ihn zu entscheiden. Meine Leute halte ich jedenfalls von nichts ab, erst recht nicht von Maybachs Hinrichtung. Mit Ihrer Erlaubnis entferne ich mich jetzt, Sie langweilen mich nämlich sehr"

Ohne den kleinsten Fortschritt schaffte Jan sich weiter ab an sein Messer zu kommen. Weiter drehte, wand er sich, bog sich hier und dorthin, streckte sich, krümmte sich wieder zusammen. Ständig die Arme in diese Regungen einbezogen. Aber gerade bei den Händen, die er bewegen wollte, tat sich überhaupt nichts. Zwischendurch machte er wieder vergebliche Versuche die Stricke mit Kraft auseinander zureißen. Noch immer konnte er die Finger nicht das kleinste Stück bewegen. Schaffte es nicht mal die Fingerkuppen ein wenig zu biegen. Konnte weder die Finger beugen, geschweige denn die Hände etwas drehen. Es waren und blieben dicke, steife Klumpen, wie Fremdkörper, die nicht zu ihm gehörten, nicht gehorchten. Dafür durchbohrten Jan immer grausamere Schmerzen. Er hörte seine Gelenke knacken, spürte schon lange immer mehr Blut durch die steifen Hände laufen
"Ich will doch nur in meine eigene Tasche greifen, ein kleines Messer ziehen, ein ganz einfacher Handgriff" dachte Jan unentwegt verzweifelt
"Ah" schrie er dann leise auf. Ein furchtbarer Schmerz durchfuhr Jans Hände. Wenige Minuten, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen und danach, spürte er dort wo seine Hände sein sollten, nur noch steife, starre Stücke, als seien ihm Eisenplatten an die Arme geschraubt
"Lähmung, Nerven......In meinen Händen muss sich eine Nervenlähmung ausbreiten" durchfuhr es Jan entsetzt
Er war so schockiert darüber, dass er sich verzweifelt an die Wand presste
"Es ist vorbei, Aus, Ende Schluss, keine Fesseln lösen, keine Befreiung" dachte Jan panisch
Verbittert enttäuscht, traurig darüber, verharrte Jan weiter in dieser Stellung, als sei er gegen die Wand genagelt
Viel Zeit verging so. Irgendwann ertrug Jan die immer stärker werdenden Rückenschmerzen nicht mehr

Jan hatte das Gefühl als würden die Schmerzen von vielen winzigen Dolchen verursacht, die sich in seinen Rücken bohrten
Dann durchfuhr es Jan: "Dolche.......? Aus der rauhen Wand stehen Steinchen wie Spitzen, Dolche,hervor, scharf genug um........."
Jan überlegte gar nicht weiter, setzte sich in Position, versuchte mit den Armen zu ertasten wo Steine besonders weit und spitz rausragten. Brauchte nicht lange zu fühlen, dann begann er schon
Mühsam, mit zusammen gebissenen Zähnen schaffte Jan es irgendwie die Arme ganz langsam minimal anzuheben, seine Hände so vor einen spitzen Stein zu schaffen. Presste sich bis zum geht nicht mehr so fest gegen die Wand, dass er die Stricke gegen diesen Stein presste und dann begann er darauf herumzuschaben. Auf und nieder
hin und her, immer wieder die gleiche Bewegung. Egal wie es in seinem Körper dabei zuging, welche entsetzlichen Schmerzen ihn überall durchfuhren. So musste es einfach zu schaffen sein
Schon Viele hatten ihre Fesseln an rauen Wänden aufgerieben. Warum sollte ihm das nicht auch gelingen.
Jan beschimpfte sich furchtbar: "Idiot, Blödmann, Dummkopf. Warum bist du nicht gleich drauf gekommen, könntest lange frei sein, anstatt immer nur untätig auszuharren. Aber wenn ich jetzt zu optimistisch bin, die Stricke sich so auch nicht lösen. Nichts da, weitermachen, du bist erst am Anfang" feuerte sich Jan selbst an
Ohne Zeitgefühl schaffte er sich ohne Unterlass weiter ab, trieb sich an die Regungen immer weiter zu wiederholen
Das Scheppern der Tür ließ ihn irgendwann erstarren
Aufgeregt dachte Jan: "Das die gerade jetzt, ausgerechnet zum falschen Zeitpunkt kommen müssen. Aber die sehen bestimmt nichts, ich bin erst am Anfang, die Fesseln sind noch drum"

Die Kerle bemerkten wirklich nichts. Sie pressten Jan die Flasche an den Mund und Jan trank. Wasser tat gut. War wie ein Antriebsmotor, den er jetzt so sehr brauchte
Die Kerle schimpften noch etwas, wie: "Oft zu Saufen wirst du nicht mehr bekommen" und waren wieder draußen
Sofort schaffte sich Jan wieder ab. Es war sein Strohhalm an den er sich klammerte. Jan sah es als letzte Chance sich von den Fesseln zu befreien, irgendwie hier rauszukommen. Wenn das wieder schief ging, dann, dann.....

Nach dem gescheiterten Besuch bei Barth herrschte im Präsidium Grabesstimmung. Die Suche nach Jan lief weiter auf Hochtouren. Der kleinste Tipp, jede noch so winzige Spur wurde verfolgt. Viele vermeintliche Verdächtige waren schon erfolglos überprüft worden. Immer wieder wurden mysteriöse Orte, ja gar Häuser durchsucht. Aber auf Jan oder eine Spur von ihm stieß man leider nie
Im Büro türmten sich die Akten von Barth und seiner Bande über alle Taten die sie begangen hatten. Die Kollegen wussten den Inhalt fast auswendig. Aber auch hier tat sich kein erhoffter Hinweis auf wo Jan gefangen sein konnte. Alle ließen die Köpfe hängen. Die Angst um Jan stand ihnen im Gesicht. Gesprochen wurde nur noch selten, es gab ja auch nichts zu sagen
Plötzlich platzte Vince heraus: "Wir könnten Barth doch zum Schein laufenlassen. Alles natürlich beobachtet von uns. Wenn Jan frei ist, kassieren wir Barth und die ganze Bande dazu dann wieder ein"
Hajo regte sich auf: "Vince, wir wissen wie verzweifelt du wegen Jan bist. Aber wir spielen hier nicht Actionfilm. Jan kommt nicht wie die Helden da Hokuspokus frei"
Beck aber meinte nachdenklich: "Der Gedanke ist gar nicht so schlecht"

"Seid ihr alle irre" rief Hajo
Beck erklärte: "Hajo bitte, wir sollten darüber nachdenken, wissen doch sonst keine Wege Jan zu retten. Lange gedulden die sich bestimmt nicht mehr. Ist doch nicht so abwegig der Plan"
Ruhiger meinte Hajo: "Falls, betone falls wir es versuchen, geht es nur mit dem direkten Austausch Barths Freiheits gegen Jans"
Vince beteuerte: "Hajo so meine ich es doch auch, genauso"
Ina fiel ein: "Das müssen wir aber bis ins Kleinste austüffteln. Erst wenn Jan bei uns ist bzw. in Sicherheit ist, können wir Barth und die Bande einkassieren. Wenn für Jan nur die geringste Gefahr besteht, können wir einpacken
Nicht auszudenken wenn die Barth haben wollen und Jans Freilassung für später versprechen"
Beck erklärte: "Dazu müssten wir wissen, wo und wie die Kerle sich alles vorstellen" Schweigen
Alle sahen sich ängstlich an, bis Hajo meinte: "Also machen wir den Kerlen den Vorschlag"
Beck nickte langsam

Ohne Unterlass schaffte sich Jan weiter ab.
Noch angetriebener als zuvor, glaubte er nach einer Ewigkeit zu spüren, dass die Stricke sich langsam lockerten
Hoffte inständig, dass es keine Einbildung war, seine Kraft nicht nachließ. Die rauhe Wand war nicht nur hilfreich, so wie Jan sich dagegen drückte, war es auch äußerst schmerzvoll für seinen Rücken. Er spürte die spitzen Steinchen, die sich in die Haut bohrten, die vielen Abschürfungen und Aufrisse die sich bildeten

"Zähne zusammenbeißen, bloß jetzt nicht schlappmachen, du musst kurz vorm Ziel sein" hämmerte sich Jan ein
Rieb und rieb immer weiter die Stricke über die scharfen Spitzen, bis............bis er plötzlich spürte, dass seine
Hände nicht mehr zusammenpressten, die Gelenke von nichts mehr eingeschnitten wurden
Für Jan war es wie ein freudiger Schock, den er erst mal begreifen musste. Lahme, zeitlupenhafte Versuche machte er seine Hände zu bewegen. Vom richtigem Gebrauchen war er weit entfernt. Aber die Lähmung hatte etwas nachgelassen, er spürte wenigstens wieder, dass er Hände hatte
Die Tür schepperte
"Verdammt, warum kommen die gerade jetzt" durchfuhr es Jan panisch "Fliege ich jetzt auf, war alles umsonst?"

Hallo Walli,
oh du kannst doch jetzt nicht einfach so Schluß machen Ich bin ganz aufgeregt ob Jan es schaffen wird und kann sich bei seinen schweren Verletzungen die er hat selbst zu befreien und überhaupt wie wird diese schlimme Situation noch ausgehen L.G. Kathy

Hallo Kathy,
ich darf es doch auch mal spannend machen, oder? Hoffe, die Fortsetzung versöhnt dich wieder LG Walli

Jan presste sich so fest er nur konnte gegen die Wand, drückte die Arme ganz eng an seinen Körper, ertasteste schnell die Stricke, quetschte sie zwischen seine Hände, schlang die Finger ineinander. So panisch wie er werkelte, bemerkte er gar nicht, dass er seine Hände wieder einigermaßen bewegen konnte
Jan wagte nicht zu atmen. bei der schrecklichen Vorstellung die Kerle bemerken, dass er nicht mehr gefesselt war
Aber so erstarrt wie er dasaß fiel nichts auf. Den Kerlen erst recht nicht. So eng an die Wand gedrückt, war von Jans Händen nichts zu sehen
Es war "Fütterungszeit". Bis zum Äußersten angespannt und trotz allem Ekel ließ Jan sich Gabel für Gabel einschieben, aß so schnell er konnte
Beim Rausgehen keifte ein Typ: "War vielleicht deine Henkersmahlzeit. Deinem Haufen liegt anscheinend nichts an dir und unsere Geduld ist zu Ende"
Das war eine eindeutige Ansage, aber nichts Neues für Jan. Er rechnete nie damit, dass Barth freikam
Mühsam versuchte Jan sich jetzt aufzurichten. Es dauerte lange seinen erstarrten Körper in die Höhe zu schaffen. Gewaltige Schmerzen durchbohrten Jan dabei, wurden aber ignoriert. Was er vorhatte, duldete keinen Aufschub
Jan dachte vor dem Fenster, dass es sehr schmal war. Aber da er in den letzten Tagen wohl eher ab- als zugenommen hatte, musste er es schaffen sich irgendwie durchzuschlingern. Auf die Zehenspitzen gestellt, reckte sich Jan bis zum geht nicht mehr. So kam er gut an den Fensterhebel

Das Öffnen wurde zur Prozedur für Jan. Jede noch so kleine Bewegung der Hände schmerzte entsetzlich. Nach langem daran ruckeln schaffte es Jan doch endlich. Wie erwartet, öffnete sich das Fenster zusammen mit der Abdeckung. Die frische Luft überrollte Jan wie eine wohltuende Brise, die er aber nicht beachtete. Er wollte raus, nur noch raus, versuchte sich mit den Armen in der Fensternische abzustützen, was leider immer wieder scheiterte
Seine Gelenke waren zu aufgerissen, seine Hände zu schwach.
"So komme ich in 100 Jahren nicht raus" dachte Jan verzweifelt
Jetzt griff Jan durch die Öffnung, presste die Hände gegen die Wand, zog sich auf diese Weise hoch. Mit Kopf und Hals war er schnell durch. Problematischer die breiten Schultern und Oberarme. Jan bog den Brustkorb so eng zusammen wie er nur konnte, schob eine Schulter hinaus, schlingelte, drehte sich nach rechts, dann wieder nach links, verrenkte sich nach allen Seiten. Stück für Stück schaffte er auf diese Weise seinen Oberkörper ins Freie. Die Beine waren nur noch Sekundensache, dann ließ Jan sich einfach hinabkullern.
Er war raus aus dem Loch, ging schnell in die Hocke, sah sich gehetzt um. Am Haus entlang zu gehen war Jan zu gefährlich. Aus jedem Fenster konnte er gesehen werden. Dann waren es auch noch ein paar Meter bis zum Tor, glaubte sich Jan zu erinnern. Allein das zu öffnen würde ihn verraten. Selbst wenn er die Straße erreichen sollte....
Das Risiko, dass gerade einer von den Kerlen gefahren kam war viel zu groß. Jan fiel auch ein, dass alle Häuser in der Straße von Mauern umgeben waren. Also gab es keine Ecke um sich schnell dazwischenzuklemmen

Alles was sich auf die Vorderseite bezog war Jan zu riskant. Blitzartig entschied er sich für die Rückseite, unwissend was hinter der Mauer war. 2 schnelle Schritte, dann sprang er an der Mauer hoch,schwang sich darauf, um fix hinabzuspringen. Jan hielt die Luft an, aber alles blieb still. Vielleicht hatten die Kerle seine Flucht noch nicht bemerkt. Jan sondierte jetzt das Gelände, erblickte ein großes Feld, wo die Ernte sehr hoch stand. Leider hatte er nur das vor sich. Das Feld musste riesig sein, nicht zu erblicken was danach kam
Schnell lief Jan zu seinem neuen Ziel, jede Sekunde damit rechnend, dass sich ihm eine Kugel in den Rücken bohrte.
Auch wenn er es immer wieder versuchte, aber rennen konnte Jan in seinem Zustand und mit seinen aufgescheuerten Fußgelenken nicht. Es ging ihm alles viel zu langsam, aber beschleunigen konnte er leider nicht
Panisch blickte Jan immer wieder zurück, bildete sich ein, auf der Mauer sitze ein Typ und ziele auf ihn
Die Strecke war länger als geschätzt, doch dann endlich erreichte Jan unbeschadet das Feld. Den Kopf so tief es ging heruntergebeugt, geduckt, lief er jetzt zwischen den hohen Pflanzen. Versuchte sich optimistisch einzureden, dass dies der beste Schutz sei. Die hohe Ernte verschluckte seinen Körper gut. Selbst wenn die Flucht bemerkt wurde, sahen sie ihn hier nicht. Trotzdem blieb die Angst. Jan wollte sich nichts vormachen, schließlich waren die Kerle nicht blöd, würden überall nach ihm suchen, natürlich auch hier. Von der Vorstellung ließ er sich aber nicht aufhalten. Er war frei, wollte es bleiben und solange sie ihn nicht entdeckten wollte er sich voranschaffen, bis er in Sicherheit war. Wie immer das auch aussehen mochte. Jeder Meter war eine Prozedur, ging ihm alles viel zu langsam. Vor Schmerzen glaubte Jan jeden Knochen einzeln zu spüren

Jan schmerzten nicht nur die Knöchel, sein ganzer Körper war ein einziger Schmerz. Er war so taumelig, fühlte sich so schwach, trotz des Essens. Aber wie sollte man bei dem Ekel auch bei Kräften bleiben. Ebenso schlimm, dass dies hier eine endlose Fläche war, er nicht wusste, was ihn nach dem Feld erwartete. Aber egal, das Wichtigste, aus dem Loch befreit zu sein, war geschafft und jeder Acker hatte seine Grenzen. Also weiter voranschaffen, aber auch weiter von der Angst erfüllt eingeholt zu werden

Beck meinte: "Sonderbar, heute kam noch kein Anruf. Die meldeten sich doch sonst spätestens bis zum frühen Nachmittag"
Hajo nickte: "Wir haben schon später Nachmittag und das ausgerechnet jetzt, wo wir den Vorschlag von Barths fingierter Freilassung machen wollten"
Vince hauchte: "Die werden Jan doch nicht umge, ge, umge, getö, getöt......."
Hajo raunte warnend: "Vince ich warne dich, sprich es nicht aus, sei still"
Aber Vince war nicht zu bremsen, jetzt rastete er vollends aus: "Die haben Jan umgebracht, er ist tot, ganz bestimmt ist er tot. Ich spüre das, spüre das ganz genau, ist alles so unheimlich in mir, so still. Still wie in einem Grab, Jans Grab. Er ist tot. Versteht ihr tot, Jan ist t o o o t" schrie er wie ein Irrer und lief genauso wild umher
Beck versuchte wiederholt zu besänftigen: "Vince beruhigen Sie sich, beruhigen Sie sich. Das sind Ihre Nerven"
Hajo schrie dazwischen: "Sei still, ich kann und will das nicht hören, sei endlich still"
Ina flüchtete weinend
Vince schrie immer weiter: "Jan ist tot, er ist tot, ganz bestimmt, ich weiß es, fühle es sicher"

"Klatsch" machte es da und noch mal "Klatsch"
Max war herbeigeeilt. Verpasste Vince rechts und links eine kräftige Ohrfeige, packte ihn, schob ihn zu seinem Stuhl, wo er ihn hart draufdrückte
Vince war verstummt. Verwirrt schaute er Max mit weitaufgerissenen Augen an. Lange, sehr lange richtete sich sein Blick auf ihn. Plötzlich ließ er den Kopf fallen, vergrub ihn in seinen Armen, war ganz still
Die Panikattacke war vorbei
"Entschuldigung, musste sein" murmelte Max
"Immer noch das beste Mittel" stellte Beck fest
Schweißgebadet, ganz leise schlich sich Hajo in sein Büro. Das musste er erst mal verdauen

Jan glaubte nicht nur, er sah auch auf seiner Uhr, dass er sich schon lange durch das Feld mühte. Dachte, dass ihm das alles wohl so riesig vorkam weil er so langsam unterwegs war. Doch alle seine Versuche Tempo zu machen, gar zu rennen, scheiterten kärglich. Sein zerschundener Körper brachte einfach keine Höchstleistung. Schwindel, Schwäche und vor allem Schmerzen zeigten ihm automatisch die Grenzen. Jan konnte sich nur weiter in diesem für ihn viel zu langsamen Trott mühevoll voranschaffen. Die Zähne zusammengebissen, die Schmerzen versuchen zu ignorieren peitschte er sich weiter an. Fühlte sich ganz und gar noch nicht in Sicherheit. Rechnete ständig damit, dass die Kerle ihn entdeckten "Vielleicht erwarten die mich ja am Ende des Feldes" dachte Jan aufgeregt und stoppte so abrupt, als sei er gegen eine Wand gelaufen. Er musste das erst mal checken, dass er nicht fantasierte, sondern jetzt wirklich am Feldrand stand

So weit Jan auch blickte, er sah nichts woran er sich orientieren konnte. Nach einem schmalen, unebenen Weg kam Wald. Jan war vollkommen ahnungslos wo er war. Das wunderte ihn aber auch nicht sehr. Nach dem Zick-Zack-Kurs durch das Feld kam er sich wie in der Fremde vor. Aber egal, auch Wald bot Schutz. So hügelig wie er war, konnte er vielleicht weiter vorne etwas von der Stadt erkennen. Mit viel Glück grenzte er gar an ein Wohngebiet. So schnell er konnte tauchte Jan zwischen die Bäume, setzte sein mühsames Vorankommen fort
Oft schimpfte er sich Angsthase, weil ihm jedes Astknacken wie ein Schuss in den Ohren knallte. Hinter jedem dicken Stamm glaubte er würden die Kerle lauern, ihn wieder schnappen
Mit der Zeit wurde Jan immer schwächer, bohrten die Schmerzen heftiger in ihm. Streckenweise war es nur ein von Stamm zu Stamm schleppen, so fertig war er. Bei manchem Baumstumpf sehnte sich Jan danach einfach mal draufzusetzen, , mal Pause machen, verpusten. Die grauenhafte Vorstellung die Kerle würden ihn dann wieder schnappen hielt ihn davon ab. Bloß nicht einfangen lassen, nicht noch mal zurück in das Loch, redete Jan sich eisern ein, trieb sich weiter voran. Er hoffte so sehr, dass dieser Wald nicht mit dem Wald der Nachbarstadt verbunden war, dann irrte er noch im Finstern zwischen Bäumen umher. Sehr lange war es nicht mehr bis zur Dunkelheit. Jan war oft so schwindelig, dass sich alles vor ihm drehte, vor Schwäche torkelte er oft nur noch so umher. In der Stille hörte man sein unterdrücktes Stöhnen noch intensiver. Jan rang immer heftiger nach Atem, hatte Angst vollends zusammenzubrechen. Aber egal, auch wenn er nur noch ein Bündel war, was sich von Stamm zu Stamm stieß, er durfte sein Ziel nicht aus den Augen verlieren
Irgendwann glaubte Jan etwas durch die Äste zu sehen

Jan näherte sich noch ein Stück. War sich bei intensivem Hinsehen sicher in der Ferne hocherhoben das Wahrzeichen von Leipzig zu erkennen. Etwas rechts, war auch das Hochhaus, auf dem sich unverkennbar das "M" drehte. Erleichterung beschlich Jan. Wenn auch noch weit, jetzt hatte er die Stadt vor sich, wusste in welche Richtung er musste. Wenn soweit gekommen, würde es auch noch weiter gehen, egal wie, aber auf den Beinen halten, sich weiter voranschaffen, war einfach Pflicht
Die Zeit verrann. Der Abend graute langsam, wenn es auch noch nicht richtig dunkel war. Umso verwunderlicher für Jan, dass er irgendwo vor sich Lichter, Lampen o.ä. sah. Nur komisch, es war bunt, konnten keine Straßenlaternen sein. Egal, Jan hielt drauf zu, auch wenn es ihm nach wie vor noch viel zu langsam ging. Aber sein ausgemergelter Körper ließ einfach nicht mehr zu. Jan tröstete sich damit, wo Lichter waren mussten Menschen sein und das war ja schon seit einer Ewigkeit sein Ziel
Irgendwann wurden die Lichter klarer, hörte Jan erst ganz leise, dann aber immer lauter und deutlicher Musik
"Da läuft eine Gartenparty" erkannte Jan nach einem weiteren Stück, kam unbemerkt bis zum Zaun. Fröhliche Menschen hatte er vor sich, laute Musik in den Ohren. Aber da roch nicht nur der Grill......
Jan schnupperte. Hier gingen Joints rum, da war er sich ganz sicher. Nur störte ihn das jetzt nicht. Für ihn waren es Menschen, von denen er sich Hilfe erhoffte. Seine Gedanken rasten, wie sollte er vorgehen, was sagen, tun, bloß kein Erschrecken auslösen
Langsam ging Jan durch die Pforte. Man tanzte, lachte, aß, Pärchen knutschten. Jan bemerkte Keiner. Es war ihm alles so unangenehm. Vorsichtig ging er näher heran

"Was schleichst du denn hier rum" stellte sich plötzlich Einer vor Jan
Verlegen stotterte Jan: "Bitte entschuldigen Sie. Es ist mir unangenehm die Party zu stören, aber ich bin in einer Notlage. Sie glauben sicher einen Irren vor sich zu haben. Aber es wäre sehr wichtig wenn ich bitte kurz ein Handy nutzen dürfte."
Einen Moment starrten Jan Alle an, dann höhnte Einer: "Krass, bekloppter kann man wirklich nicht sein. Kommt zu einer Party, verlangt ein Handy"
Jan raunte: "Bitte ich meine es ernst, es ist sehr wichtig"
"Und warum soll das so wichtig sein, Bajazzo" wurde gespottet
Jan flüsterte; "Auch das klingt nach Spinnerei. Aber ich war gefangen, konnte mich befreien, möchte jetzt Hilfe rufen"
"Schade das Irre sich immer befreien können. Weggesperrt bist du gut aufgehoben" wurde weiter gespottet
Verlegen meinte Jan: "Sie glauben mir nicht. Aber bitte, können Sie mich nicht trotzdem telefonieren lassen. Nur ein kurzer Anruf stört Ihre Party doch nicht"
"Du nervst, wenn du nicht sofort weg bist, befördern wir dich mit viel Schwung in den Wald" baute sich Einer drohend vor Jan auf
Es war ja ganz und gar nicht Jans Art, aber jetzt blieb er stur, wiederholte noch mal eindringlich: "Bitte, glauben Sie mir doch ich bin nicht irre, bin ein Polizist der Hilfe braucht"
"Klar du Polizist und ich der Bundespräsident" setzte schallendes Gelächter ein

Jan erinnerte sich, tastete an seine Tasche. Sein Ausweis war noch drin, den er jetzt zeigte und meinte: "Ich bin wirklich Polizist, überzeugt Sie das"
Schweigen, dann irritierte Fragen: "Polizist, aber wieso, warum allein, was ist passiert, wer soll zu Hilfe kommen?"
Jan erklärte: "Das klingt jetzt alles sehr konfus" und erzählte in Stichworten was ihm widerfahren, endete mit "Jetzt möchte ich meine Kollegen verständigen"
"Habe noch nie eine blödere Story gehört. Hau endlich ab, sonst drehen wir dich auch noch durch die Mangel" tönte der Angeber wieder
"Peter, es könnte wahr sein was er sagt" erklärte Klaus ernst, wandte sich zu Jan "Sie sehen ziemlich, nun ja........
abgerissen aus. Eben wie einer, der gerade aus einem Loch kommt. Sie waren auch gefesselt, nicht wahr?" zeigte er auf Jans blutende Handgelenke
Jan nickte nur
Mitleidiges Gemurmel rundherum
Klaus erklärte: "O.k. Sie haben nicht gelogen, brauchen Hilfe. Klar kriegen Sie ein Handy. Sagen Sie uns noch was jetzt abläuft?"
Jan entgegnete: "Hier ist alles gleich vorbei. Meine Kollegen holen mich sicher schnell ab. Der Rest läuft dann woanders. Sagen Sie mir bitte noch wie die Umgebung, der Wald, Weg und die Straße da vorne heißen?"
Man nannte Jan alles. Peter meinte noch: "Wäre einfacher Sie durchs Haus, auf die Straße zu lassen........mh, aber ich habe da Bedenken"
Jan lächelte: "Die habe ich auch, nämlich, dass die Entführer gerade da nach mir suchen."